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Folge 185: Traumatisierende Erlebnisse in der generalistischen Pflegeausbildung – welche Auswirkungen haben sie auf Pflege Azubis?

In diesem Beitrag erfährst du

  • was ist ein Posttraumatischen Belastungssymptom
  • welche körperliche Symptome zeigen sich dabei
Born to Pflege Talk der Podcast für Pflegekräfte

Folge 185: Traumatisierende Erlebnisse in der generalistischen Pflegeausbildung – welche Auswirkungen haben sie auf Pflege Azubis?

Silke Doppelfeld im B2P Talk mit Tobias Gross

Tobias Gross: Was bereitet dir Sorgen, wenn du an Azubis in der Pflege denkst?

Silke Doppelfeld: Man lässt sie oft mit existenziellen Themen, z. B. dem Tod alleine. Hier ein kurzes Beispiel vom Einsatz einer Schülerin in einer Geriatrie am ersten Tag. Sie bekam mit, wie Patientin verstarb und das gesamte Team einfach nur darüber hinweg ging. Sie hatte keine Möglichkeit, mit jemandem darüber zu sprechen. Mittags stand sie dann bei mir im Büro und hat gekündigt. Wir müssen die Leute anders vorbereiten und die erfahrenen Pflegekräfte sensibilisieren, mit solchen Themen offen und sensibel umzugehen.

Die Azubis fühlen sich überrollt, wenn sie mit Situationen konfrontiert werden, mit denen sie (noch) nicht umgehen können. Hierbei handelt es sich um berufliche Traumatisierung – wir Pflegenden begleiten Menschen mit Todesangst und diese Ereignisse können nicht einfach weggewischt oder verdrängt werden.

Tobias Gross: Pflegekräfte sind so einer Traumatisierung viel häufiger ausgesetzt. Warum erleben es Azubis so extrem?

Silke Doppelfeld: Wir sind sehr nahe dran. Eigentlich haben wir alles, was es an menschlichen Schicksalen gibt, in der Pflege schon mal hautnah erlebt. Wir sind die Berufsgruppe mit der höchsten Kontaktdichte in der Gesundheitsbranche, bekommen alles mit, da wir oft auch die Vertrauenspersonen sind.

Was sind die Folgen einer Traumatisierung?

Silke Doppelfeld: Man spricht hier von einem Posttraumatischen Belastungssymptom. Betroffene leiden z.B. an Schlaflosigkeit, Rastlosigkeit, haben abgekaute Fingernägel, Alpträume, können nicht abschalten, haben Tagträume und gehen aus Situationen raus.

Mitte der 90er wurde es vom Psychologen Charles Figley in den USA als „Compassion fatigue“ beschrieben, also als Mitgefühlserschöpfung. Wir bezahlen alle für unseren Beruf. Gewisse Mechanismen werden im Körper dicht gemacht z. B. Empathie, Gefühle können nicht mehr in unser Innerstes vordringen. Problematisch ist jedoch, dass wir das Mitgefühl brauchen, um unseren Beruf auszuführen. Diese Pflegekräfte halten den Bewohnerkontakt nicht mehr aus. Sie sagen zum Beispiel „Geh du ins Zimmer, ich räume die Küche auf“. Sie ziehen sich aus dem Kontakt mit den Bewohnern raus.

In der Klinik ist das einfacher möglich, da keine Beziehung über einen längeren Zeitraum aufgebaut wird, im Pflegeheim ist der Kontakt länger.

Welche psychischen Symptome bzw. Erscheinungen siehst du bei Schülern, die traumatisiert wurden?

Aggression, Rückzug, motorische Unruhe, emotionale Erschöpfung, Kraftlosigkeit – Symptome ähnlich einem Burnout.

Selbst wenn ich nicht zu viel arbeite über meine Grenzen hinweg, kann ich über die vielen Traumatisierungen in diese Situation rutschen. Man muss ein Leben lang auf sich aufpassen.

Tobias Gross: Praxisanleiter und -anleiterinnen müssen ganz genau die Schülerinnen und Schüler beobachten?

Silke Doppelfeld: Die Pflegekammer hat glücklicherweise die Weiterbildung verändert. Ein neues Modul Selbstfürsorge ist dazugekommen. Sie müssen lernen, sich selbst stabil und eine gute Work-Life-Balance einzuhalten. Das ist das sogenannte ABC der Selbstfürsorge. In Deutschland gab es vor dem neuen Rahmenlehrplan keine Aufklärung zu diesen Themen. Viele Praxisanleiter wissen nicht, wie sie es einordnen sollen. Sie praktizieren das Prinzip der Selbstführsorge auch noch nicht für sich selbst.

Tobias Gross: Was ist mit weiteren Folgen, z. B. der Unfähigkeit, den Haushalt zu führen oder Freundschaften zu pflegen?

Silke Doppelfeld: Hier habe ich eine Quelle aus den USA gefunden, Mila Hall: Die Leute sagen, wenn ich 4-5 Dienste am Stück habe, dann bin ich so kaputt, dass ich nichts im Haushalt machen kann, das mache ich dann am freien Tag und kann mich da dann nicht erholen. Wir kommen ausgelaugt von der Arbeit, Freundschaften gehen verloren, Sport entfällt, weil man zu müde ist… Es gilt, eine Disziplin zu entwickeln, Praktiken für sich selbst zu entwickeln. Man muss sich immer wieder darauf besinnen. Wenn man dies nicht tut, fallen stabilisierenden Elemente raus.

Tobias Gross: Welche Körperlichen Symptome können auftreten?

Silke Doppelfeld: Chronische Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen, das kommt von der dauerhaften Anspannung. Unruhe und Schlaflosigkeit sind aber tatsächlich die größten Probleme.

Tobias Gross: Welche Strategien helfen denn auf gar keinen Fall?

Silke Doppelfeld: Ungesundes Leben hilft nicht, wie z.B. rauchen. Wenn die Raucher rauchen gehen, gehe als Nichtraucher mit und nutze die Pause ebenfalls. Alkohol zum Einschlafen sollte man weglassen. Ein exzessives Leben z.B. als junger Mensch ständig Party machen ist nicht gut, man hat zu wenig Erholung, um den Alltag zu schaffen. Alles in gesundem Maß und auf den eigenen Körper hören.

Tobias Gross: Also auch hinterfragen, warum ich was tue?

Silke Doppelfeld: Wenn man mit vielen Leuten auf einer Party tanzt und etwas trinkt ist das nicht das Problem, wenn ich die Flasche Wein brauche zum Einschlafen, ist das ein anderes Thema. Man muss das als Lehrer auch verstehen, wenn die Schüler montags nicht so motiviert in der Schule sitzen.

Es ist wichtig, für ausreichend Schlaf zu sorgen. Mir hilft hier eine Fitnessuhr, um zu sehen, ob ich ausreichend und gut schlafe und mich ausreichend bewege.

Ich kenne viele, die aus der Pflege ausgestiegen sind, weil sie vergessen haben, für sich selbst zu sorgen, die aber sagen, die guten Zeiten in der Pflege waren ja schon schön.

 

Lies weiter im Beitrag 186 oder höre dir unseren Podcast über diese Folge an.

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