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Folge 215 - Die neue Personalbemessung

Born to Pflege Talk der Podcast für Pflegekräfte

Folge 215 - Die neue Personalbemessung: Was sie ist und für Pflegende bedeutet

Margarete Stöcker im B2P Talk mit Tobias Gross

Tobias Gross: Ja aber hallo und herzlich willkommen bei Born to Pflege. Mit der Personalbemessung, die ab dem Juni 2023 gilt, kommt so ein richtig dicker, fetter Lachs auf die stationäre Altenpflege zu geschwommen. Bist du bereit, diesen Lachs aus dem Wasser zu ziehen? Ich kann gut nachvollziehen, dass sich so manche Pflegekraft diesen Lachs anschaut und sich fragt: Der ist so schwer, wie soll ich das bloß schaffen? Wie soll ich denn aus dem Wasser ziehen?

Deswegen bin ich so froh, dass es Menschen wie Margarete Stöcker gibt. Sie hat die Personalbemessung geangelt und in der heutigen Folge filetiert sie dir diesen Lachs.

Margarete Stöcker hat sich nicht nur intensiv in Büchern mit der Personalbemessung auseinandergesetzt, nein, sie unterstützt und hilft ganzen Einrichtungen und Pflegeteams, die Personalbemessung auch umzusetzen.

Die Personalbemessung kommt ja dieses Jahr. Und wir wollen in der heutigen und in der nächsten Folge, so ein bisschen so einen kleinen Einblick geben, was die Personalbemessung so ist, was das für Veränderungen mit sich bringt und auch so dann die nächste Folge, wie es von der Führungsseite her, gut begleitet werden kann.

Und ich bin froh, dass ich sie als absolute Fachfrau am Start habe. Deswegen gehen wir gleich mal rein in die erste Frage. Dass wir mal ein bisschen Aufklärungsarbeit machen. Was ist denn dieses Personalbemessungs-Instrument? Was hat es zum Ziel und wofür brauchen wir das überhaupt?

Margarete Stöcker: Diese Frage stellen sich ganz viele, immer wieder, weil zurzeit haben wir auch unheimliche Diskussionen. Deswegen möchte ich auch erst mal damit beginnen. Was ist es nämlich nicht. Also das Personalbemessungs-Instrument ist definitiv erst mal kein Backofen. Das bedeutet, dass da jetzt nicht, wenn der Backofen da ist und wir über 100.000 Pflegende, die wir dringend benötigen, da jetzt rauskommen.

Um die Erwartungshaltung erst mal zu neutralisieren. Für mich ist das Personalbemessungs-Instrument erst mal eine absolute Chance. Um da noch mal so ein bisschen auch die Basis reinzukriegen. Seit Jahren befinden wir uns in der Diskussion über eine Personalbemessung, dass die jetzt wirklich stattfinden muss. Wir haben vieles ausprobiert und es wurde auch vieles ausprobiert in der Landschaft.

Gesetzlich festgelegt wurde es 2016, nämlich durch das Pflegestärkungsgesetz zwei und dort wurde gefordert, die Entwicklung und Erprobung eines neuen Personalbemessungs-Verfahrens.

Was ein Personalbemessung-Verfahren ist, möchte ich jetzt einmal so kurz als Zitat geben:

„Es ist ein strukturiertes, empirisch abgesichertes und valides Verfahren für die Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen, auf der Basis des durchschnittlichen Versorgungsaufwands für direkte und indirekte pflegerische Maßnahmen sowie für Hilfen bei der Haushaltsführung unter Berücksichtigung der fachlichen Ziele und Konzeption, des ab dem 1. Januar 2017 geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs.“

Tobias Gross: Da hat sich ja jemand richtig Gedanken gemacht.

Margarete Stöcker: Und auch wirklich sehr gut gemacht. Denn das Ergebnis ist da. Wir haben jetzt genau das. Nach vielen, vielen Jahren der Erprobung und des Hinschauens. Und es ist da. Denn Mitte 2020 wurde und auch wirklich fristgerecht von Professor Rothgang kam und von seinem Team wirklich der Abschlussbericht vorgelegt, zu der Personalbemessungs-Studie. Und es ist da!

Die nächste Frage wäre: Was ist jetzt die Personalbemessung? Und auch hier möchte ich noch einmal kurz zitieren: „Sie ist eine Größe zur prozentualen Ermittlung der zur Erbringung einer fachgerechten, pflegerischen Versorgung notwendigen Personalmenge nach Quantität und Qualität.“ Und auch das übersetzen wir jetzt noch mal.

Tobias Gross: Okay, vielen Dank, denn ich war nämlich schon raus.

Margarete Stöcker: Definitiv, einfacher können wir das sagen: „Wir brauchen einen kompetenzbasierten Fachkrafteinsatz. “ Und zwar müssen wir schauen, welche Bedarfe haben wir? Genauer gesagt, welche Bedarfe hat die Einrichtung, respektive die Pflegebedürftigen? Und das ist für mich absolut das übergeordnete Ziel der Personalbemessung, nämlich dass wir wirklich fachlich, korrekte Versorgung der pflegebedürftigen Personen leisten. Noch mal weiter runtergebrochen:

„Die richtigen Mitarbeiter beim richtigen Bewohner.“

Tobias Gross: Bestimmte Funktionen erfüllen bestimmte Aufgaben.

Margarete Stöcker: Ja, es wird hingeschaut. Das wird aber gleich noch etwas klarer - mit welcher Pflegebedürftigkeit. Also ich formuliere es noch mal so, wenn die Bewohner bei uns in den Einrichtungen sind und da geht es wirklich ausschließlich um die stationäre Langzeitpflege, sind sie pflegebedürftig. Die Einrichtungen können noch so schön sein, der Bewohner wäre am liebsten zu Hause. Ja, das heißt, er ist aus vielen Gründen pflegebedürftig geworden.

Und so steht es ihm zu, dass er auch die fachliche, entsprechend adäquate, also kompetenzbasierte Begegnung, Betreuung, Pflege bekommt. Ja, das ist für mich ein sehr wichtiges Ziel und dafür brauchen wir aber auch Menschen vor Ort. Wir brauchen eine verbesserte personelle Ausstattung vor Ort. Das heißt, wir brauchen mehr neue Mitarbeiter und noch mehr fachlich basierte Mitarbeiter. Denn mehr Mitarbeiter alleine ist keine Garantie dafür, dass die Pflege, die Begleitung, Betreuung auch besser oder gut ist.

Die Menge macht es nicht aus. Das haben wir auch gerade gehört. Es geht um Qualität und um Quantität. Jedoch bis wir das umgesetzt haben, so wie wir uns das alle wünschen, wird es Jahre dauern. Und deswegen habe ich gerade eingangs so ein bisschen flapsig gesagt: „Es ist kein Backofen, ich schmeiß jetzt den Teig da rein und dann kommen jetzt alle Kollegen dort raus.“ Sondern es wird einfach Jahre dauern und wir müssen, wir dürfen wirklich diesem Instrument erst einmal eine Chance geben.

Tobias Gross: Also nicht gleich: „Oh, Hilfe! Was Neues“, eine Abwehrhaltung einnehmen, sondern zu wissen, das kann ein Weilchen dauern, da wird es ein paar Schmerzen geben. Aber wir geben dem Ganzen die Möglichkeit, dass der Teig aufgeht.

Sie haben, als wir uns vorher unterhalten haben, diese Zuordnung von Kompetenzen für den Pflegebedürftigen anhand vom Krankenhausbeispiel - also da haben Sie es mir super erklärt. Können Sie das unseren Zuschauern und Zuhörern noch mal erklären?

Margarete Stöcker: Ja, gerne. Vielleicht alle, die jetzt zuhören. Stellen sich jetzt einfach mal vor, Sie wären Patient in einem Krankenhaus und Ihr Appendix, also Ihr Blinddarm, würde jetzt entfernt werden. Sie sind schon so weit vorbereitet für die OP. Also das schicke OP-Hemdchen ist schon an. Sie sind aber noch wach. Sie werden jetzt in den OP Saal gefahren und dann tritt jemand zu ihnen und sagt: „Also Herr Gross, nur damit Sie das wissen, es tut mir leid, aber der Chirurg, der ist ausgefallen und die OP Schwester hat aber diese OP schon so oft begleitet, schon so oft gesehen, die kann das auch. Die wird jetzt die OP übernehmen. Was würden Sie jetzt tun, Herr Gross?

Tobias Gross: Bin ich noch in der Lage, vom OP-Tisch zu springen oder bin ich narkotisiert?

Margarete Stöcker: Ich glaube, Sie werden dann schon so viel Adrenalin im Blut haben, dass Sie wieder hüpfen können. Ja, ich denke mal, da werden Sie sagen: „Nein, das machen wir nicht“, „das geht nicht“. Andersherum, wenn jetzt die Kollegin vor Ort, die OP-Schwester oder Pfleger vor Ort, die dafür verantwortlich ist, dass die Geräte sterilisiert und aufbereitet werden und die würde jetzt ausfallen, würde glaube ich auch kein Chirurg, diese Aufgabe übernehmen.

Unterstelle ich jetzt einfach mal. Ein Chirurg würde die Arme verschränken, sich zurücklehnen und sagen: „Ich kann nicht operieren.“ Ja, ich weiß, das ist ein bisschen überzogen, das mache ich auch immer gerne mal bewusst, die Dinger so zu überziehen. Jedoch ist es nicht das, was wir auch in ähnlicher Form erleben. Wer macht was? Wer kann was? Wer darf was?

Das hat auch was damit zu tun, wer ist einfach vor Ort, welche Qualifikationen und in anderen Berufen wäre das und oder in anderen Bereichen wäre das überhaupt kein Thema. Was wichtig ist zu verstehen. Die OP-Schwester und der Pfleger sind genauso viel wert wie der Chirurg. Jeder Mensch, jeder Mitarbeiter einer Einrichtung ist gleich wert. Hier geht es nicht um Wertigkeit, denn hier geht es um eine Kernkompetenz, um meine Kernaufgaben.

Ich nehme noch mal ein ganz anderes, ganz plattes Beispiel: Meine Waschmaschine ist kaputt. Ist nur die Schraube irgendwie locker. Dann kommt die Hilfskraft, die weiß, wie man die Schrauben andreht. Ich bitte alle, die sich mit Waschmaschinen auskennen, die nehmen das jetzt bitte nicht alles so wörtlich.

Jetzt würde der Geselle kommen, denn das ist seine Aufgabe, sich um die Mechanik zu kümmern. Und wenn jetzt die Elektronik kaputt ist, dann kommt der Meister. Der Meister würde nicht kommen und drei Schrauben zuzuschrauben. Und umgekehrt geht es auch einfach nicht. Aber jeder ist wichtig, sonst funktioniert die Waschmaschine nicht.

Tobias Gross: So kann ich es schon besser einordnen. Deswegen kommt neue Personalbemessung. Was für wesentliche Veränderungen bringt das mit sich?

Margarete Stöcker: Also zum einen das Ende der völlig antiquierten Fachkraft-Quote. Die Fachkraft-Quote, wird oder ist mit 50 % besetzt, wird meistens auch nicht erreicht, wurde 1993 im Prinzip unter ganz anderen Bedingungen eingeführt. Und diese Bedingungen haben wir gar nicht mehr. Und das zeigt wieder, ich darf schauen, welcher Pflegegrad, welche Bewohner, welche Pflegebedürftigkeit, darauf abgestimmt, die wirkliche Fachlichkeit.

Und deswegen sprechen wir jetzt bei der Personalbemessung entsprechend von einem Qualifikations-Mix.

Die nächste Veränderung, die angestrebt wird, sind bundesweite Personal-Anhalts-Werte.

Da ist noch ein bisschen Luft nach oben, da wird noch dran gearbeitet. Zu der Personal-Zunahme, das ist das, was das Ganze dann bewirken soll. Dass Kollegen wiederkommen, dass neue weitere Kollegen und damit meine ich Berufskollegen in der Pflege entsprechend kommen. Denn wir haben in den letzten Jahren sehr viel verloren. Covid war auch ein Brandbeschleuniger, für viele Dinge, die da passiert sind. Und wir haben bei der Pflegefachkraft-Quote, da hatten wir ja die Kollegen 3-jährig examiniert bzw. ohne Ausbildung.

Die ganzen Kollegen vor Ort, mit einem oder zwei-jährigen Examen, das ist ein bisschen länderspezifisch. Ich bleibe jetzt einfach mal bei 1-jährigen Examen, sind uns verloren gegangen. Sie sind auch nicht wiedergekommen. Weil entweder hatten wir 3-jährig oder wir hatten entsprechend keine Ausbildung in der Anerkennung der Quote. Und das ist genau das, was jetzt passiert, weil diese Kollegen, ich nehme es mal vorweg, zukünftig QN 3 genannt.

Was das ist, werde ich gleich noch aufführen. Das ist das, was wir jetzt brauchen. Wir brauchen Menschen, die Fachkompetenzen für Bewohner, die ja nicht immer komplett in einer Unselbstständigkeit sind. Aber das wird gleich noch mal genauer, wenn wir uns gemeinsam die QN-Niveaus, also die Qualitätsniveaus anschauen.

Das heißt, wir haben jetzt verschiedene Abstufungen: Ungelernt, 1-jährig und 3-jährig examiniert. Und mehr:

Margarete Stöcker: Wir werden jetzt QN 1 bis QN 8 haben. Das werde ich gleich genauer aufführen: Da dürfen wir unterscheiden, einmal die sogenannte Rothgang-Studie, also was ich sagte, der Abschlussbericht, der entsprechend vorliegt und entsprechend unter SGB 11, hier entsprechend Paragraph 113 C. Fangen wir erst einmal an, mit der Rothgang-Studie:

Wir haben hier QN. QN steht für Qualitätsniveau QN 1. Das sind dann Mitarbeiter, die in der Unterstützung in der Lebensalltags-Begleitung für unsere Bewohner unterwegs sind. Die keine Ausbildung haben, aber so vier Monate angeleitete Tätigkeit. Pflegefachkräfte gucken, wie ist die Fachlichkeit, sie werden entsprechend angeleitet, was übrigens auch den entsprechenden Aufgaben der Pflegefachkraft entspricht.

Die sogenannten Vorbehalte-Aufgaben, die wir bestimmt auch gleich noch mal anschauen.

Tobias Gross: Auf jeden Fall.

Margarete Stöcker: Dann haben wir QN 2 Pflege. Das sind entsprechend Kollegen, die haben auch keine Ausbildung, wurden aber mindestens entsprechend über 6 bis 12 Monate begleitet. Dann haben wir QN 2 in Beschäftigung Betreuung. Das sind alle Kollegen vor Ort, die Betreuungskräfte, Betreuungsassistenten nach Paragraphen 43 b und 53 B. Dann haben wir QN 3 drei, wie gerade schon besprochen, das sind jetzt Kollegen mit Ausbildungen ein- bzw. zweijährig. Das ist jetzt wie gesagt länderspezifisch. Ich bleibe jetzt mal bei einjährig.

Dann kommen unsere QN 4-ler, das sind die Pflegefachkräfte. Das nächste ist dann QN 5. Das sind dann Pflegefachkräfte, die zusätzliche Fachweiterbildungen haben, also Palliativ, Gerontopsychiatrie (ist ein Zweig der Psychiatrie und befasst sich mit der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung psychischer Störungen im höheren Lebensalter), Intensivpflege.

Und dann haben wir QN 5-Leitung, das sind dann Pflegefachkräfte, entsprechend mit Berufserfahrung, mit Leitungsausbildungen - die Akademisierten.

Dann kommen die QN 6, die Bachelor, die Master bzw. QN 8 dann Kollegen mit entsprechenden Promotionen. Die drei Letztgenannten sind mit Sicherheit auch wichtig, nur die sind in anderen Bereichen tätig. Was für uns wichtig ist und Augenmerk im Vordergrund steht jetzt QN 1 bis 4 und da ganz besonders QN 3.

Wenn wir da jetzt direkter Weise den Bogen - wie gesagt das ist Rothgang-Studie - jetzt den Bogen direkter Weise weiter schlagen zum SGB 11, Paragraph 113 C, da wird der Begriff Qualifikationsniveau nicht zu finden sein, der wird dort nicht genutzt.

Sondern da haben wir die Dreiteilung drin:

  • Einmal Hilfskraft, Personal ohne Ausbildung, entspricht Studie QN 1 bis 2.
  • Dann haben wir drin, Hilfskraft Personal mit landesrechtlicher geregelter Ausbildung. Das wäre jetzt ein oder 2-jährig, entspricht jetzt der Studie QN 3.
  • Und unsere Fachkraft und das Fachkraft-Personal das entspricht QN 4.

 

Also werden wir es da zukünftig mit dieser Dreiteilung zu tun haben. Definitiv fehlen uns, dass hat es gezeigt, die Kollegen vor Ort mit QN 3 - also 1-jährige Ausbildung.

Tobias Gross: Und jetzt habe ich gehört, dass es da für die verschiedenen Qualifikationsniveaus Vorbehaltsaufgaben gibt. Oder war das nur für das QN 4?

Margarete Stöcker: Genau, das ist nur für das QN 4.

Tobias Gross: Also für das Pflege-Fachpersonal. Können Sie mal diese Vorbehaltsaufgaben mal erläutern, was sich dahinter verbirgt und was das so ist.

Margarete Stöcker: Also Vorbehalt erst mal, das ist den Pflegefachkräfte vorbehalten.

Tobias Gross: Also keinem anderen Qualifikationsniveau.

Margarete Stöcker: Genau. Dazu ist wirklich die 3-jährige Ausbildung Pflegefachkraft gefordert. Das ist in Paragraph 4 Pflege, entsprechend Bildungsgesetz festgeschrieben. Die Vorbehaltsaufgaben zeigen, dass die Pflegefachkraft die Erhebung und die Feststellung des individuellen Pflegebedarfs zu führen hat. In der Landschaft, ich adaptiere das gleich mal mit rein, würde das zum Beispiel aussehen, dass wenn ein Bewohner jetzt in die Einrichtung zieht, die Pflegefachkraft entsprechend - ich gehe jetzt mal vom Strukturmodell aus. Es haben auch noch viele die fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel - alles ist gut. Ich nehme es jetzt nur mal entsprechend Strukturmodell als Beispiel.

Also wir haben nochmal Erhebung Feststellung des individuellen Pflegebedarfs. Das bedeutet die Pflegefachkraft - noch mal Strukturmodell - führt mit dem Bewohner das sogenannte SIS-Gespräch.

Das bedeutet aber auch, das Gespräch führen. Nicht nur einfach ausfüllen. Wenn es nicht mehr geht, müssen wir es natürlich wieder auch fachlich anpassen. Von da aus, wird ja der Maßnahmenplan erstellt und wir werden dann zukünftig in den Maßnahmenplänen zu den einzelnen Intervention dann das jeweilige durchzuführende Qualitätsniveau wiederfinden. Und Das bedeutet auch als nächstes, das ist die zweite Vorbehaltsaufgabe, gehört die Organisation, die Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses.

Das heißt, die Pflegefachkraft schaut jetzt wieder da drauf, schaut, wer macht es? Begleitet dann auch unter Umständen und muss den Prozess übergeordnet steuern. Wir werden ja gleich noch den Interventions-Katalog kennenlernen, da haben wir Hinweise. Jedoch ist es jetzt nicht so, dass das eins zu eins in dieser Form immer übernommen werden muss. Es ist eine Option, denn die Verantwortung trägt die Pflegefachkraft in ihrer Prozess-Verantwortung.

Das nächste ist die Analyse, die Evaluation, die Sicherung und Entwicklung der Qualität. Also auch da entsprechend betrachten und schauen, wie findet die Pflege statt? Es ist ja nicht alleine QN 3 gleich QN 3. Da sind ja auch Fachlichkeiten, die unterschiedlich sind. Und da muss entsprechend auch die Pflegefachkraft in der Lage sein, zu erkennen, okay ich steuere das jetzt, ich entwickle auch die entsprechende Pflege.

Ich beaufsichtige, ich begleite die Kollegen, so dass es dann für den Bewohner wirklich kompetenzorientiert, die Pflege und Versorgung stattfinden kann. Ich meine es zu sehen bei Ihnen, Herr Gross, dass Sie jetzt überlegen, wow, wie soll das denn umgesetzt werden? Wie schaffen wir das? Und ich glaube, ganz neutral betrachtet bitte, glaube ich, dass auch die ein oder anderen QN 4 - Kollegen vor Ort auch sagen: „Das will ich gar nicht mehr und das kann ich auch nicht so leisten und das möchte ich auch in dieser Form nicht.“ Und ich glaube, das ist ja unser nächstes Thema Teil zwei, dass viele Gespräche geführt werden müssen, viele Rollenklarheit dahinter auch geregelt werden müssen, mit viel Empathie. Und ich kann mir vorstellen, dass auch ohne eine Wertung reinzubringen, völlig neutral, wie gesagt, die eine oder andere Kollegin dann sagt: „Das mache ich nicht, ich gehe, dann mache ich lieber QN 3, dann bin ich vielleicht mehr am Bewohner und muss nicht die ganzen Prozesse gestalten und im Blick haben und analysieren. Ich werde dann lieber QN 3. Da ist eine Möglichkeit. Ich denke mal, wichtig ist, dass man für sich erkennt, was möchte ich, was kann ich umsetzen und dass auch die Führungskräfte da gute Gespräche führen. Dass wir da für viele Menschen Optionen finden. Und ich glaube auch, dass und ich kenne ganz, ganz viele pfiffige Pflegehelfer, Pfleger, Assistenten und ich glaube, dass dann auch viele sagen: „Oh, das ist jetzt auch für mich eine Option“, jetzt die 1-jährige Ausbildung zu machen.

„Drei Jahre ist dann doch nicht so meins. Und ach nein, das will ich jetzt nicht. Aber die 1-jährige, das würde mir mit Sicherheit Spaß machen.“ Und ich glaube, dass da in der Landschaft wahnsinnig viel passieren wird.

Tobias Gross: Jetzt habe ich mich neulich mit jemand ausgetauscht, der sich auch mit dieser Personalbemessung auseinandergesetzt hat. Er hat gesagt, wir haben schulisch unsere Pflegefachkräfte dahin erzogen, Aufgaben zu erfüllen. Und jetzt auf einmal sollen sie Prozesse steuern. Also das ist ja eine wahnsinnige Veränderung, oder wie sehen Sie das?

Margarete Stöcker: Ja, ich bin jetzt immer so ein Fan von Haltung. Der eine ist, es ist Wissen zu haben. Das wäre das, was wir sagen. Wir führen Dinge durch, wir haben das Wissen. Das andere ist oft aber Haltung im Hintergrund. Und das, was mir in dieser ganzen Diskussion besonders wichtig ist, ist wirklich der Empfänger, der Bewohner, den dürfen wir nicht bei den ganzen Diskussionen aus den Augen verlieren. Ich glaube, dass viele Pflegekräfte Pflegefachkräfte auch definitiv das für sich auch wollten und jetzt erkennen können, durch diese prozesshafte Veränderung, die ich mir eigentlich schon immer gewünscht hätte. Können sie dadurch noch mal die Pflege ganz anders beeinflussen, wenn wir dann auch die entsprechenden Mitarbeiter vor Ort haben, die dann die Pflegefachkräfte unterstützen und begleiten können. Denn ich kenne auch Pflegefachkräfte, die sagen, dass wir das hinkriegen vor Ort.

Denn wir haben auch viele Pflegefachkräfte verloren, weil die gesagt haben, ich habe doch Fachlichkeit gelernt, ich habe gelernt, prozesshaft zu denken und muss jetzt fünf Mal am Tag eine Spülmaschine ausräumen. Das ist nicht mein Job.

Tobias Gross: Und auf der anderen Seite gibt’s die, die sagen: „Ich bring mal den Wäschewagen weg, weil mir die Aufgabe zu schwierig ist, die ich eigentlich erfüllen müsste.“

Margarete Stöcker: Da bin ich ganz bei Ihnen, definitiv. Und ich glaube, dass wir da noch mal eine Hausreinigung hinkriegen. Ich glaube, dass sich da in der Landschaft unheimlich viel sortieren wird. Dass die Kollegen, die sagen ich habe das nicht gelernt. Und bitte jetzt nicht missverstehen, das heißt jetzt nicht, dass keiner meine Spülmaschine ausräumt, aber ich kann nicht meine Haupttätigkeit sein.

Das hat auch nichts mit Wertigkeit zu tun, sondern wirklich, was ist meine Kernaufgabe?

Und dass wir gemeinsam und da ist doch jeder im Grunde genommen gefragt, gemeinsam, dass ist das übergeordnete Ziel, der Bewohner ist adäquat, menschlich, empathisch versorgt. Und jeder trägt dazu bei. Ich mit meiner Fachlichkeit als Pflegefachkraft prozessverantwortlich, die Kollegin mit 1-jährigen Examen, die dann sagt, ich bin dann entsprechend bei den Bewohnern mehr vor Ort. Ich steh dann, entsprechend mehr, wenn ich das so sagen darf so salopp, am Bett.

Auch unsere ungelernten Kräfte, die dafür da sind, dem Bewohner, der jetzt einfach nur überwiegend selbstständig ist, da muss nicht alles drüber gestülpt werden. Da müssen wir gucken, dass er die Fähigkeiten erhält. Der muss ich ja nicht übernehmen. Da hat einfach jeder seinen Job.

Auch die Kollegen in der Beschäftigung und in der Betreuung, die sehr viel zur Alltagsgestaltung beitragen, die aber auch die Fachlichkeit haben es geht ja nicht darum, Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiele und Püppchen stellen kann. Ja, es geht ja darum, dass ich entscheiden kann, weil es ist der demenziell Erkrankte, der kann das nicht mehr mit den Farben hinkriegen da muss ich mir was anderes einfallen lassen. Und es gibt den, der möchte das gerne spielen. Ja, es gibt den demenziell Erkrankten, der kann nicht mehr zählen. Also wie kriege ich das am besten gestaltet? Ja, da ist ganz viel und da sollte auch ganz viel Wissen im Hintergrund sein.

Tobias Gross: Sehr spannend. Sie haben vorhin den Interventionskatalog angesprochen, Was ist denn das? Und hat denn dann jedes Qualifikationsniveau an der Hand oder wie wird es ablaufen?

Margarete Stöcker: Also an der Hand, da würde ich mir schon mal - kurze Werbepause, es gibt ja die passenden Bücher dazu.

Tobias Gross: Von Ihnen?

Margarete Stöcker: Mit von mir. Ja, ich war da entsprechend mit, als Autorin begleitet, also im Hintergrund. Ich weiß nicht, wie weit man das sehen kann, sind einige Bücher entsprechend von mir zu sehen und ich durfte und das fand ich ganz toll an mehreren Projekten teilnehmen, nämlich genauer gesagt an zwei. Und zwar einmal das Praxis Handbuch Die neue Personalbemessung mit Herrn Wipp und Herrn Sausen.

Michael Wipp ist in der Landschaft definitiv bekannt, Herr Sausen dann als Rechtsanwalt, mit den ganzen arbeitsrechtlichen Bereichen, die dürfen wir auch nicht ganz vergessen. Dann mit Frau Hindrichs und noch weiteren Autoren und Autorinnen, nämlich die Personalbemessung für die Pflegepraxis. Dort haben wir dann eine Einrichtung kreiert, die dann beispielhaft durch die Umsetzung, durch die Implementierung den Leser begleitet.

Übrigens, auch hier noch mal zu meiner Person. In der Regel begleitet mich ja meine vierbeinige Co-Referentin, mein Dalmatiner-Mädchen, die natürlich auch mit in diesem Buch dabei ist. Mein Dalmatiner-Mädchen heißt Sina und unsere kreierte Wohnbereichsleitung heißt übrigens auch Sina. Jetzt wissen alle woher der Name kommt.

Tobias Gross: Oh. Auf den Hund gekommen.

Margarete Stöcker: Auf den Hund gekommen. Und Sabine Hindrichs hat noch die ´Interventionsmaßnahmen to go´  für unterwegs, also zum Mitnehmen. Und das wäre so ein Buch für die Wohnbereiche. Da kann man nämlich einfach blättern, mit wunderschönen Grafiken von Maria Reichenauer, ganz, ganz toll und liebevoll gestaltet.

Tobias Gross: Darf ich dazwischen grätschen? Das heißt, wäre das für Einrichtungsleitung und Pflegedienstleitung dieses Buch, das beispielhaft eine Einrichtung nimmt, um die Personalbemessung einzuführen, sollten die sich das mal zu Gemüte führen.

Margarete Stöcker: Also ich kann nur beide empfehlen. Beide im Vincentz Verlag, einmal aus der blauen Reihe aus dem Management Bereich raus und einmal aus der roten Reihe heraus, weil die Kombination ist einfach traumhaft. Die blaue Serie, also Praxis-Handbuch geht sehr in die Tiefe, hat einen absoluten Tiefgang. Wichtig auch noch mal, der rechtliche Teil. Mein Part ist dann ganz klar Change-Management, Rollenverständnis noch mal sehr genau beschrieben, wie sind Gespräche. Wie erkenne ich entsprechende Emotionen und das andere Buch entsprechend aus der Roten Reihe. Das ist wunderbar ergänzend, weil das ist wie so ein roter Faden nochmal, sich das Ganze anzuschauen und nach diesem roten Faden auch für sich das Ein oder Andere definitiv umsetzen zu können.

Tobias Gross: Dann jetzt zum Interventionskatalog.

Margarete Stöcker: Das ist ein Katalog, der Interventionen aufführt, um die erforderlichen Leistungen in der stationären Pflege zu erreichen. Auch hier, der Interventions-Katalog wurde vor dieser Datenerhebung durch die Rothgang-Studie entwickelt. Man musste ja auch eine Basis haben, um zu schauen, das ist der Ist-Abgleich - so ist es - bei der die sogenannte Beschattung, ein schönes Wort, das bedeutet, dass Pfleger besonders ausgebildete, geschulte Pflegefachkräfte bei Kollegen vor Ort, in den Einrichtungen, dann beschattet wurden. Sie sind mitgegangen in die tägliche Pflege. Es fand in 62 Einrichtungen statt.

Tobias Gross: Wir waren Eine davon.

Margarete Stöcker: Wow! Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich dann alles? Das können Sie dann doch besser?

Tobias Gross: Nein, machen Sie mal ruhig.

Ja cool, das war doch wirklich eine spannende Zeit.

Margarete Stöcker: Insgesamt sind dann 1380 Pflegebedürftige beobachtet worden. Deswegen brauchte man, wie gesagt, die Interventionen, um zu gucken, was findet statt. Aber es hätte ja gar nichts gebracht, nur zu sagen, das findet statt, das wissen wir auch selbst. Sondern wichtig war auch hinzuschauen, was sollte stattfinden? Ja, da brauchen wir ja auch den Abgleich, weil wir wollen ja bemessen, wie viel Personal wir brauchen, um eine hochwertige, qualitative Pflege wirklich zu leisten.

Dann hat sich in diesem Interventions-Katalog wiedergefunden, neun Kategorien.

Die ersten fünf Kategorien sind Pflegeintensive entsprechende Interventionen und die vier letzteren sind dann mehr so, ich sage mal im Rahmen des Management und der Organisation.

  • Die erste Intervention ist Mobilität, dann gibt es immer die verschiedenen Kategorien dazu.
  • Die zweite ist Kognition und kommunikativen Fähigkeiten, Gestaltung des Alltags.
  • Die dritte ist Verhaltensweisen und psychische Problemlagen.
  • Nummer vier ist Selbstversorgung.
  • Fünf ist krankheits- und therapiebedingte Aufgaben.

Und Herr Groß, jetzt wissen Sie definitiv, woher das kommt.

Tobias Gross: Nein.

Margarete Stöcker: Unser Begutachtungsinstrument, das BI.

Tobias Gross: Nein, das wusste ich jetzt nicht.

Margarete Stöcker: Mit dem BI haben wir diese Verknüpfung. Die Anderen zähle ich auch sofort auf. Aber dadurch haben wir diese Verknüpfung, dass geschaut wird, in welchen Bereichen. Ich habe einen Bewohner, der ist selbstständig, überwiegend selbstständig, überwiegend unselbstständig oder unselbstständig. Und welches Qualitätsniveau wird dann für diese Intervention entsprechend benötigt?

Tobias Gross: Ah, okay.

Da schließt sich dann eigentlich der Kreis.

Margarete Stöcker: Was nehmen wir denn mal? Pflege am Waschbecken.

  • Wenn ich jemand habe, der selbstständig ist, da brauche ich niemand, der macht alles selbst.
  • Wenn ich jemand habe, der überwiegend selbstständig ist, der braucht vielleicht, dass man die Sachen noch mal hinstellt, dass man vielleicht noch mal so ein bisschen motiviert.
  • Jemand, der überwiegend unselbstständig ist, sind wir uns einig, der braucht wesentlich mehr Unterstützung und Interaktionen.
  • Und jemand, der komplett unselbstständig ist, den will ich auch nicht mehr am Waschbecken haben, aber jetzt so als Beispiel, der braucht natürlich dann auch noch mal eine andere fachliche Begegnung. Und jetzt geht man hin und schaut - Aha, das Qualitätsniveau, die Interaktion, die stattfinden muss, sprich die Pflegebedürftigkeit, das werden wir gleich noch hören, hat natürlich jetzt auch ganz viel damit zu tun, wie unser Pflegegrad-Management in den Einrichtungen ist.

Ich will aber erst noch mal kurz die anderen sagen, die in die entsprechende Richtung der  Qualitätssicherung gehenden Items. Das ist noch mal sechs Beratung und Schulung. Sieben Pflegeprozess, hier haben wir wieder die Steuerung, Kommunikation, Organisation.

Acht Qualitätsmanagement, die Aufgaben bzw. neun Management. Dann kann man alleine davon schon ableiten, dass wir hier QN 4 bzw. QN 5 Pflege entsprechend Fach und Leitung auch wiederfinden werden.

Und dieser Katalog, wie gesagt, da ist alles aufgeführt mit den entsprechenden Interventionen und zugeordnet, das entsprechende Mindestqualitätsniveau, was dort empfohlen wird.

Tobias Gross: Okay, jetzt nenne ich es noch mal in meiner Sprache, die Pflegebedürftigkeit. Ich habe das Qualifikationsniveau und das mündet dann in was?

Margarete Stöcker: In die Maßnahmenplanung.

Tobias Gross: In Ordnung.

Margarete Stöcker: Das heißt wir haben dann wieder die Pflegefachkraft, die ja prozessverantwortlich ist, das SIS-Gespräch geführt hat und jetzt den Maßnahmenplan erstellt. Ich selbst, das sind ja aber auch die Meisten, sind eher dann Befürworter oder Verfechter für die chronologische Maßnahmenplanung. Man fängt entsprechend an, man hat die Zeitfenster, ich sage jetzt mal Zeitfenster der körpernahen Versorgung des Morgens.

Und dann würde jetzt die Pflegefachkraft sagen, das wäre jetzt Aufgabe von einer QN 3. Also im Maßnahmenplan finden wir, wann, wo, wie, was, wer macht.

Um da den Bogen jetzt allerdings hinzukriegen, brauchen wir Ablaufpläne, Klammer auf Tourenpläne, Klammer zu.

Tobias Gross erleichtert: Wie man es von der ambulanten Pflege kennt.

Margarete Stöcker: Ja, nur nicht ganz so 1zu1 zu übernehmen. Vom Grundprinzip ja, deswegen sprechen wir aber dann lieber von Ablaufplänen, damit das jetzt nicht 1zu1 mit der ambulanten Pflege adaptiert wird. Und der Ablaufplan, der zeigt dann, wer, wen, wann, was. Also wer QN 3, wen Bewohner XY, wann Zeitfenster ich sage jetzt mal von 7 bis 8 körpernahe Pflege. Was? Versorgung am Waschbecken.

Eigentlich einfach, eigentlich simpel.

Tobias Gross erleichtert: Eigentlich simpel - ja.

Also ich kenne es von uns, man hat verschiedene Pflegebereiche. Da gibt es einen Fachkraftbereich, die haben halt eher die, ich sage jetzt mal schwierigeren Bewohner oder die, die mehr Pflegebedürftigkeit haben. Aber jetzt ist es ja so richtig geschnürt, also Du bist für das und für das zuständig. Ich bin für das nicht und auch für das nicht zuständig. Sondern jeder ist zuständig für eine bestimmte Aufgabe.

Margarete Stöcker: Genau und die Fachlichkeit dahinter. Und dadurch haben wir dann auch in der Regel dann den Bewohner. Und hier geht es nochmal darum, auch wirklich zu schauen, dadurch hat der Bewohner ja auch immer seine Abläufe. Also ich sage mal, so ganz unter uns gesprochen, hört ja kein anderer. So Maßnahmenpläne. Ich bin da wieder etwas provokant, aber ich frage jedes Mal: Warum werden die geschrieben, wenn die keiner liest?

Provokant wie gesagt. Es geht um den Bewohner.  Weil da steht drin, da haben wir die Abläufe und dann kriegt er passend zu seiner Pflegebedürftigkeit auch den passenden Mensch in der Fachlichkeit dazu. Weil das, was wir immer wieder erleben, auch nur liebevoll gesagt ist. Morgens die Übergabe ist rum und dann wird gesagt: „Was machst du heute?“

„Ich gehe heute dahin. Ach nee, da war ich gestern. Also zu dem gehe ich heute nicht. Also ich gehe jetzt mal in die andere Seite.“ Es geht definitiv wirklich um Fachlichkeit.

Tobias Gross: Ja, also das ist wie, wenn der Chirurg sagen würde: „Herr Gross, kein Bock heute auf Sie, Oberschwester, übernimm Du mal.“

Margarete Stöcker: Oder: „Ich mache heute keinen Appendix, habe ich keinen Bock drauf. Ich mache heute Magen-Darm.

Tobias Gross: Der hat zwar Blinddarm aber dem ziehen wir den Darm raus😊!

Margarete Stöcker: Da geht es aber wirklich noch darum, dass die Entscheidung dann wirklich die verantwortliche Pflegefachkraft trifft. Wer geht wohin? Ich glaube, dass wir zukünftig da sowieso in den nächsten Jahren ein absolutes Umdenken haben müssen. Diese klassische Wohnbereich-Struktur, sondern eher, dass man sagt okay, ich habe so und so viel Pflegefachkräfte im Haus und die Pflegefachkräfte sind entsprechend in diesem Prozess verantwortlich.

Ich kenne das übrigens aus anderen Ländern, da läuft das ähnlich. Dann haben wir entsprechend unsere Tools dahinter und ich glaube, dass man dadurch auch noch mal die Individualität des Bewohners in den Mittelpunkt stellen kann.

Ich glaube, dass auch Dienstpläne sich verändern müssen, denn wir haben ja auch sehr viele Kollegen und Kolleginnen vielleicht nicht bekommen oder verloren, die sagen, ich würde ja gerne in die Pflege gehen, aber ich kann nicht vor 9 Uhr arbeiten. Das geht einfach nicht, weil Kinder oder was auch immer. Ich könnte erst ab 9 Uhr. Wenn ich jetzt eine gute Dienstplangestaltung habe und über mein entsprechendes Qualitätsniveau gucke, was brauchen die Bewohner? Da kann es doch sein, dass die Kollegin dann auch erst um 9 Uhr beginnt und dann bis 16 Uhr bleibt. Dieses klassische, morgens zu viert und nachmittags zu zweit wird sich verabschieden. Ich habe keine Kristallkugel, aber das liegt dann auf der Hand, dass wir da wesentlich flexibler in Zukunft und genauer damit arbeiten werden. Dadurch werden wir auch Kollegen wiederbekommen oder überhaupt bekommen, die wir sonst vielleicht gar nicht gekriegt hätten.

Sie haben das mit dem Care-Mix schon angedeutet. Was hat es denn jetzt damit noch auf sich?

Margarete Stöcker: Care-Mix ist eine Zusammensetzung des Pflegepersonals in der Einrichtung bzw. in meinem Wohnbereich. Ich habe QN 1, QN 2, QN 3 und QN 4. Das Nächste, was dazugehört, ist der sogenannte Case-Mix. Das ist der entsprechende Pflegebedarf der Bewohner. Und eigentlich ganz simpel gesagt ist: „Um so höher der Pflegegrad ist, umso höher ist auch das Qualitätsniveau.“

Da sind wir bei dem entsprechenden Qualitäts-Mix. Umso niedriger der Pflegegrad der Bewohner ist, Case-Mix, also niedriger Pflegegrad, umso weniger brauche ich auch jetzt die Fachlichkeit. Das wird es nie geben. Aber, wenn ich jetzt eine Einrichtung hätte, ausschließlich mit Bewohner Pflegegrad zwei, wofür brauche ich dann so viele Fachkräfte?

Anders herum, habe ich jetzt eine Einrichtung mit komplett Wachkoma-Bereichen, habe ich definitiv wesentlich mehr QN 4 vor Ort. Deswegen ist das auch die Aufgabe, die zu bewältigen ist, zu schauen, wie ist der Pflegegrad-Mix? Wie sind meine Bewohner in den Einrichtungen mit dem Pflegegrad unterwegs? Aber das ist ja nichts Neues. Das haben wir im Management-Bereich schon immer getan.

Tobias Gross: Dann hätte ich noch so eine abschließende Frage an Sie. Was ist jetzt von Seiten der Pflegenden zu tun? Also was ist zu tun, dass sie diese ganzen Veränderungen für sich selber auch und auch für’s Team positiv beeinflussen können?

Margarete Stöcker: Also erst mal keinen Schreck kriegen. Sondern wirklich eine offene, positive Haltung. Ich erlebe ganz viele Halbwahrheiten in der Landschaft. Das bedeutet, sich auch erst mal wirklich informieren. Was ist es? Was soll es bewirken? Dass es definitiv Jahre dauern wird und nicht sofort.

„Ja, aber jetzt haben wir es doch da und dann muss ich Ende des Jahres das und das haben.“ - bitte nicht, sondern wirklich einfach offen zu sein, erst mal positiv zu sein und nicht sofort in so eine „das wird nichts“-Haltung zu gehen.

Was definitiv, wie gerade schon mal gesagt, wichtig ist: Pflegegrad-Management. Noch mal schauen, wie ist mein Pflegegrad-Management in der Einrichtung? Aber wie gesagt, das dürfte nichts Neues sein. Wichtig ist, Gespräche zu führen. Offen zu sein, auf Führungsebene. Zu schauen, was habe ich für ein Qualitätsniveau.

Vielleicht haben wir ja auch schon Kollegen vor Ort, die einfach in den letzten Jahren untergegangen sind, die ein kleines Examen irgendwann mal gemacht haben und vielleicht selbst nicht mehr drüber nachdenken, dass sie eines haben. Umdenken der Rollen. Weil ich höre so was, wie „Ja, jetzt war ich jahrelang gut genug“ für die Pflege-Assistentin, den Pflegehelfer und jetzt darf ich das nicht mehr, bin ich denn gar nichts mehr wert?“ Und dann dieses Umdenken. Ganz wichtig, dass es nicht darum geht, ob jemand mehr oder weniger wert ist, sondern es geht wirklich um meine entsprechende Fachkompetenz, meine Kernaufgaben dahinter. Wichtig sind auch die Aufgaben im Dienstplan-Management noch mal zu fördern und zu unterstützen. Wo darf ich das positive Gespräch führen, wirklich eine Projekte-Zeitplanung machen. Also klassische, eigentlich Führungsaufgaben. Und vor allem Ruhe bewahren.

So Hektik und Husch. Das nützt uns jetzt erst mal allen nichts. Sondern erst mal selbst, eine Ist-Analyse machen. Eigentlich der normale Regelkreislauf.

Eine Ist-Analyse machen. Bei was können wir vielleicht auch einfach die Mitarbeiter da wirklich sehr gut mit einbeziehen. Wie Sie auch schon sagten, in den Interventions-Katalog gehen, dass die Mitarbeiter mal selbst durchblättern und durchgucken.

Ich empfehle auch, dass die Mitarbeiter vor Ort einfach mal selbst aufschreiben, wenn sie in der Pflege sind. Was machen sie denn da eigentlich? Ja, was muss getan werden, um einfach so ein bisschen, ich hätte beinahe gesagt, schon spielerisch das noch mal so mit zu erarbeiten, wo man denn im Grunde genommen steht. Ich denke, es gibt immer irgendetwas, was man zu kritisieren hat. Das ist einfach so - oder zu diskutieren hat. Ich denke, es ist erst mal eine Option. Niemand hat eine Kristallkugel. Wir haben jetzt ein Instrument und wir dürfen jetzt damit im Grunde genommen arbeiten. Aber Sie wissen auch, Sie kennen auch diesen Satz. Ein Instrument ist nur so gut wie derjenige, der es spielt.

Tobias Gross: Frau Stöcker, vielen, vielen Dank. Das war für mich total bereichernd, von Ihnen zu hören, was da auf uns zukommt. Dass man das auch durchaus mit einer mit einer positiven Haltung angehen kann, dass das auch aufwertet. Wir werden uns noch mal sehen in der nächsten Folge und da werden wir so ein bisschen gucken, was Pflegedienstleitungen,  Einrichtungsleitungen und Wohnbereichsleitungen machen können, um diesen Change gut zu gestalten und ich freue mich schon darauf.

Margarete Stöcker: Ich auch. Vielen Dank.

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